MAP-Reise 2013
mit internationalem Mennonitentreffen
Warum man sich heute in Polen für Mennoniten Interessiert.
"Bitte, können Sie uns sagen, wo im Kaschubischen Uferlandgebiet Mennoniten gewohnt haben und wo es mennonitische Kirchen und Friedhöfe gab?" Dieses fragt mich der für die Tourismusentwicklung zuständige Vorsitzende der Region Puck. Sie liegt an der Ostsee, nördlich von Gdingen. Er reist deswegen nach Danzig, um dort Mennoniten aus Deutschland, Holland und den USA zu befragen, die sich im Juli 2013 in der ehemaligen Mennonitenkirche treffen.
Ratloses Achselzucken. Eine Mennonitengemeinde in Karwenbruch? Nie gehört. Warum wollen Sie das wissen? " Wir wollen die wirtschaftliche Entwicklung und den internationalen Tourismus in unserer Region fördern und dazu ist es wichtig, die Geschichte der Region zu kennen. Es ist für uns wichtig zu wissen, wie die einst dort lebenden Mennoniten im Sumpfgebiet des Krawenbruchs gewirtschaftet haben. Wir wollen einen mennonitischen Bauernhof errichten und den ehemaligen evangelischen Friedhof, auf dem es viele Gräber der "Olendri" (Holländer) gibt, wieder herrichten."
Fragen nach der mennonitischen Siedlungsgeschichte begegnen uns zunehmend häufiger in Polen. Woran liegt das? Aus dem Interesse an der Geschichte der Mennoniten können wir schlussfolgern, dass die heutige Generation der Polen das Land in dem sie leben auch innerlich angenommen hat, sich mit ihm identifiziert. Somit ist es normal, dass man beginnt, sich für die Geschichte "seiner Heimat" zu interessieren. Das freut uns. Mit ungeahnter Sympathie werden dabei wir Mennoniten betrachtet. Nach in Polen weit verbreiteter Meinung waren sie fromme und arbeitsame Menschen, keine Deutschen, sondern Holländer, die 1945 wieder nach Holland zurückgingen.
Um dieses etwas schiefe Bild zurechtzurücken, bedarf es eines sehr langen Atems. Gelegenheit dazu bot sich anlässlich einer Reise des "Mennonitischen Arbeitskreises Polen" in die Weichselniederung.
Danzig, Elbing, Ladekopp, Tiegenhof, Pr. Rosengart und Heubuden sowie Ausflüge nach Hela und Frauenburg standen dieses Jahr auf dem Programm.
In der ehemaligen Mennonitenkirche in Danzig hörten wir Vorträge zur Geschichte des Werders ( Prof.Peter Klaassen, Fresno,USA) und zur Geschichte der Mennonitengemeinde Danzig (Frank Wiehler). Pastor Popiejelko, der heutige Hausherr, bereitete uns einen herzlichen Empfang. Bei dieser Gelegenheit gedachten wir unseres langjährigen Freundes und Förderer unserer mennonitisch/polnischen Zusammenarbeit, Boreslaw Klein, Tiegenhof. Er verstarb im Dezember 2012.
Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch in der Gemeinde Pr. Rosengard/Rozgart. Es empfingen uns der Dorfpastor, der Regionalpastor, der Bürgermeister, die Landfrauen (in traditionellen Kostümen).
Nach einem ökumenischen Gottesdienst (Pastor Lampkowsky / Ruth Wedel) wurden wir auf traditionelle Art mit Brot und Salz begrüßt. Die Tische bogen sich vor reichhaltigen Speisen und Getränken. Schüler sangen. Es wurde gegrillt und gebacken. Das ganze Dorf war auf den Beinen, um mit uns zu feiern.
Und so ganz nebenbei fand ich bei einem Rundgang auf dem ehemaligen mennonitischen Friedhof unter Laub und Zweigen liegend, den Grabstein meiner Ur-Ur-Großmutter Katharina Wiehler, *1801, in drei Teile zerbrochen. Ein solcher Fund verursacht Gänsehaut.
In Heubuden besuchten wir den präsentabel wieder hergerichteten ehemaligen mennonitischen Friedhof. Hier wurde von unseren niederländischen Glaubensgeschwistern über Jahre ganze Arbeit geleistet. Dafür sind wir dankbar. Es begrüßten uns der Pastor und der Bürgermeister von Marienburg. Herzlich war der Empfang durch die Landfrauen. Auch hier bogen sich die Tische.
Unser Dank gilt Harry Lau, Tiegenhof, der sich um die Vorbereitung der Reise kümmerte und in dessen ländlichem Sommerhaus am Ufer der Weichsel wir nächtigen durften. Aufgabe des "MAP" ist die Pflege der 400jährigen Geschichte der Mennoniten in der Weichselniederung und Förderung des historischen Bewusstseins und Bewahrung des mennonitischen Erbes im heutigen Polen. Dazu konnten wir einen kleinen Beitrag leisten.
Übrigens, dem eingangs genannten Tourismuspromotor aus Puck konnte etwas geholfen werden:
Im sumpfigen Karwenbruch siedelten ab 1603 etliche Niederländer, darunter auch Mennoniten, die später mehrheitlich nach Russland auswanderten. Wie sie gelebt und gewirtschaftet haben, wer weiß das? Eine mennonitische Kirche gab es dort nicht. Auf dem Friedhof wurden Lutheraner und Mennoniten beerdigt.
Frank Wiehler, Freiburg
MAP-Reise 2015
Danzig, Elbing, Königsberg, Samland u. Kurische Nehrung
Wieder machte sich eine Reisegruppe auf den Weg gen Osten zu den polnischen Nachbarn und dieses Mal noch ein gutes Stück weiter zu einer Enklave des Riesenreiches Russland, zum Oblast Kaliningrad. Das ist das frühere KÖNIGSBERG mit dem in die Ostsee vorgeschobenen Samland.
Litauen im Norden und Polen im Süden begrenzen dieses Gebiet, das seit dem Kriegsende 1945 zu Russland gehört. Bis 1990 war der Oblast Sperrgebiet und für Touristen nicht zu erreichen. Heute steht das Land allen Reisenden offen.
Ein gut besetzter Bus (40 Pers.) setzt sich also am 02.06.2015 von Bielefeld aus über Hannover und verschiedene weitere Zusteigeorte in Bewegung. Mitglieder des MAP und Freunde möchten die Spuren der Vorfahren erkunden oder einfach Neuland kennenlernen.
In Zusammenarbeit mit dem Reiseveranstalter "Ostreisen" aus Lemgo hat unser 1. Vors. Frank Wiehler diese einwöchige Tour hervorragend organisiert und vorbereitet. Während der Reise war er unser zuverlässiger Informant für alle Fragen und Probleme. Ich möchte nicht den Ablauf der Reise schildern, sondern nur einige Schlaglichter aufleuchten lassen, die mir diese Reise, wie die vorherigen, wieder zu einem wertvollen Erlebnis werden ließen.
Stundenlang surrt der bequeme Bus über blitzsaubere Autobahnen in Polen. Nach dem Übergang in SLUBICE, südlich von Frankfurt/Oder durchfahren wir das flache Posener Land, das frühere Warthegau. Die Eiszeit hat weite flache mit Kiefern bewachsene Landflächen zurückgelassen. Das Gebiet ist dünn besiedelt mit kleinen verstreuten Gehöften. Bis kurz vor DANZIG fahren wir im ehemaligen "Korridorgebiet" vorbei an Posen, der Bischofsstadt GNESEN, HOHENSALZA und THORN. Bis 1920 war dieses Gebiet deutsch, dann bis 1939 polnisch. Nach Kriegsausbruch wieder deutsch und seit Mai 1945 wieder polnisch - ein Spielball der Mächte. Ich denke dabei an eine alte Freundin, die 1939 als umgesiedelte Baltendeutsche in eine Posener Wohnung gesetzt wurde in der das polnische Mittagessen noch auf dem Tisch stand.
Vor Danzig verbreitet ein gold-violetter Himmel mit zarten Wölkchen im unserem Bus eine wunderbare Abendstimmung. Gegen 21 Uhr landen wir in unserem feinen Hotel.
Der nächste Tag steht im Zeichen der Künste. Im Danziger Stadtgebiet gibt es Spuren mennonitischer Baumeister und Ingenieure. Aber wie gewohnt beginnen wir den Tag mit einer von Oskar Wedel gehaltenen Andacht in der ehemaligen Mennonitenkirche. Dem Pfarrer der dortigen Pfingstgemeinde sind wir keine Unbekannten und werden herzlich empfangen; eine schöne Vertrautheit - ein Geschenk. Nach der Andacht werden wir von Johann Peter Wiebe, einem Reiseteilnehmer, anhand eines ausgefeilten Vortrages mit interessantem Bildmaterial in die Wirkungsgeschichte der beiden mennonitischen Familien: WILHELM von d. BLOCK und ABRAHAM WIEBE aus dem 16./17. Jahrhundert eingeführt. Auf dem anschließenden Stadtrundgang entdecken wir viele Spuren der genannten, z.B. Steinmetzarbeiten am wiederaufgebauten "HOHEN TOR". Der Erfinder, Ingenieur, Mühlenbauer und Wasserbaumeister Abraham Wiebe, wurde Anfang des 17. Jahrh. von der Stadt Danzig angestellt, baute Wasserleitungen und Brunnen.
( Wer Interesse an beiden Vorträgen hat, wende sich bitte an J. P. Wiebe: ( jop.wiebe@t-online.de)
Der neue Tag führte uns nach ELBING. Dort werfen wir einen Blick auf die zweitälteste mennonitische Kirche der Welt. Sie diente der Gemeinde Elbing-Ellerwald von 1590 bis1900 als Gotteshaus. Zur Tarnung und zum Schutz vor Übergriffen - Mennoniten waren in der Stadt zunächst nur geduldet - wurde es äußerlich wie ein Patrizierwohnhaus gestaltet. 1900 errichtet die Gemeinde ein neues, größeres Gotteshaus in der Berliner Straße, welches wir ebenfalls besichtigen.
Der Stadtkern um die hohe gotische Nikolaikirche ist erst vor 20 Jahren im modernen Stil, unter Bewahrung der historischen Giebelansichten, bebaut worden. An einer Straßenecke schaue ich durch einen Bauzaun auf die Reste eines grün überwucherten Trümmergrundstücks.
Vergangenheit wird auf einer solchen Reise immer wieder lebendig. Das kommt in vielen lebhaften Gesprächen unter den Mitreisenden zum Ausdruck.
Wir fahren weiter auf der alten "Reichsstraße 1" bis zur russischen Grenze bei HEILIGENBEIL. Der Übergang ist ein Schock. Wir verlassen die EU, d.h. Schengen-Land.
Passagiere zählen - Pässe einsammeln - wieder austeilen - Visum vorzeigen - stempeln lassen - im Warteraum sich sammeln - Busklappen öffnen - in diesem Ablauf 4 Schranken passieren. Hier prallen zwei politische Blöcke aufeinander. Wir erleben die gleiche Prozedur auf der Rückreise und auch auf der KURISCHEN NEHRUNG, beim Übergang von Russland nach Litauen und zurück am gleichen Tag. Nach der Grenze steigt unsere russische Reiseleiterin Tatjana in unseren Bus. Sie ist eine gewandte, kompetente junge Frau, die in Deutschland studiert hat und uns unverkrampft über die Geschichte und heutige Situation des Oblast Kaliningrad berichtet. Wenige von uns kannten das preußische Königsberg als Stadt der Wissenschaft und Künste und kennen das heutige Kaliningrad. Vom alten Königsberg ist fast nichts geblieben. Es wurde im 2. Weltkrieg zur Festung erklärt, bis zum bitteren Ende verteidigt. Was vom britischen Bombardement im August 1944 noch übrig blieb, wurde bei den Kämpfen im April 1945 in Schutt und Asche gelegt. Die Zivilbevölkerung hat schwer gelitten und alle Deutschen wurden bis 1948 ausgewiesen.
Heute präsentiert sich KAL. als lebendige Großstadt mit dichtem Verkehr auf breiten Straßen. Hier und da findet man ein altes Stadttor und am weiträumigen ehemaligen Hansaplatz blinken die Kuppeln der neuen Christ-Erlöser Kathedrale. Die Rekonstruktion des Doms wurde mit vielen Spendengeldern, auch aus Deutschland, erst 1999 abgeschlossen.
Der berühmteste Sohn der Stadt, IMMANUEL KANT wird mit einem Grabmal an der Domwand und einem Denkmal an der Universität geehrt.
Der Stadtteil Kneiphof auf der Dominsel ist verschwunden, dort spielen jetzt Kinder in einem Park. Auch ein Schillerdenkmal gibt es vor dem Theater.
Unser Reiseleiter Frank Wiehler weist auf die Geschichte der Mennonitengemeinde Königsberg hin: 1716 erhielten die Mennoniten das Recht, sich in Königsberg niederzulassen, um "Kornbranntwein nach Danziger Art" zu destillieren. Gottesdienste gibt es ab 1720, eine Gemeinde ab 1751. Von 79 Mennoniten stammen 49 aus Danzig. Sie sind vorwiegend Brandweinbrenner, Kaufleute, Bortenweber, Seiden- und Gewürzhändler. 1770 baut die Gemeinde ein Gotteshaus und zwei Armenhäuser in der Tränkegasse 3, nahe der Dominsel. Wiederholt ist die Gemeinde wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung von Ausweisung bedroht. Wegen des großen Nutzens für die Staatseinnahmen verzichtet die Obrigkeit aber auf deren Durchführung. Die Zahl der Getauften bleibt vergleichsweise gering: 1792: 139, 1804: 158, 1934: 65. Das Kirchengebäude wird 1899 verkauft. Den Verkaufserlös von 125.000 Mark erhält die Hamburger Mennonitengemeinde mit der Auflage, ihn zurückzuerstatten, sobald sich in Königsberg wieder eine größere Gemeinde ansiedelt. Eine andere Quelle nennt die "Vereinigung der Mennonitengemeinden im dt. Reich" als Verwalter des Verkaufserlöses. Den letzten Gottesdienst hält Gemeindevorsteher Joseph Gingerich Weihnachten 1945. 1947 wird er aus Königsberg ausgewiesen.
Viel Neues und Schönes wird gebaut, aber die endlosen schäbigen "Wohnmaschinen" aus den 60-er und 70-er Jahren sind nicht zu übersehen.
Ein neuer Tag: Fahrt durchs SAMLAND zum hübschen Seebad RAUSCHEN über leicht hügeliges Land mit blauen und weißen Lupinen zwischen gelbem Ginster. Ein wunderschönes Bild. Aber wo sind die Äcker? Hier fehlt es an Besiedelung und Infrastruktur. Am Strand von Palmnicken steht ein Denkmal mit ins Leere greifenden Händen. Es ist nicht zu übersehen. Es erinnert an 5000 KZ-Häftlinge, meistens jüdische Frauen, die am 31.1.1945 an den Strand getrieben und erschossen und ertränkt wurden. Da versagen die Worte
Am nächsten Tag erleben wir die KURISCHE NEHRUNG, eine von gewaltigen Wanderdünen geprägte Landschaft, die AGNES MIEGEL in ihren Gedichten einfühlsam beschrieben hat. In NIDDEN, dem Hauptort auf der litauischen Seite der Nehrung, hat THOMAS MANN mit seiner Familie von 1930-32 sein Sommerdomizil gehabt. Heute ein liebevoll restauriertes Haus, welches eine interessante Ausstellung beherbergt.
Der neue Tag ist ein Reisetag Richtung Westen. An der russischen Grenze verabschieden wir uns mit großem Dank von Tatjana. Nach der schon beschriebenen Grenzprozedur steuert unser Fahrer den Bus Richtung POSEN. Wir haben während einer Pause noch eine kurze Andacht mit Blick auf die MARIENBURG an der NOGAT. Dann geht es zügig weiter. Posen erleben wir nur kurz bei einem Abendspaziergang im Regen rund um den malerischen Marktplatz.
Die langen Busstunden am letzten Tag bis Hannover empfinde ich als eine Zeit des Ausklingens und Verarbeitens der vielen neuen Eindrücke. Dankbar für alles Schöne, Neue und alles Bewahrende kehre ich / wir zurück in meinen / unseren Alltag.
Ruth Wedel, Hamburg
Reise nach Polen, im Mai 2017
Mit "dzien dobry" grüße ich einen älteren Passanten und versuche auf polnisch nach dem Weg zu dem Friedhof der Mennoniten im früheren Dorf Schönsee in der Kulmer Niederung zu fragen. Aber ich bekomme eine Antwort auf deutsch. Vier Jahre lang hat er in Deutschland gearbeitet. Auf die Frage, wann das gewesen sei, sagte er von 1941 bis 1945. Im Alter von 14 Jahren wurde er als Zwangsarbeiter nach Dortmund geschickt. Im Hintergrund die dramatischen Berichte der Eltern über Vertreibung und Flucht mit allen traumatischen Folgen, wird immer wieder deutlich, dass diese Schrecken viele Menschen erleben mussten. Wir hörten die Geschichte einer älteren Frau, der die Flucht nicht gelang. Alle Kinder waren schon sicher in Dänemark. Dort erfahren sie, dass die Mutter noch auf ihrem Hof ist, jetzt allein unter Polen. Eine Tochter macht sich auf den Weg zurück. Nach längerer Internierungszeit darf sie zur Mutter. Später heiratet sie einen Polen, der zwangsweise in die Region umgesiedelt wurde. Mehrfach hören wir das Wort " Politik derer von oben". Möglich war dies alles aber nur durch die "Vielen von unten", die eine solche Politik unterstützten. Bei einem Besuch im ehem. Konzentrationslager Stutthof gibt es weitere, schaurige Einsichten der menschenverachtenden Politik jener Zeit. Neben der Vernichtung der Juden sollte auch alle polnische Intelligenz und die Erinnerung an polnische Geschichte und Kultur beseitigt werden. Ein weiteres Ziel zum Verständnis jener Zeit ist das im März 2017 eröffnete Museum des zweiten Weltkriegs in Danzig. In diesem wirklich sehenswerten Museum ist in 18 Räumen der Weg zum Krieg und der ganze Horror des Krieges dargestellt. Natürlich steht das Schicksal Polens im Zentrum dieses Museums, aber es zeigt darüber hinaus wie der Krieg sich erst grausam ausbreitet und dann mit großem Elend nach Deutschland zurückkommt. Auch der alles vernichtende Einsatz der Atomwaffen durch die USA wird abschreckend dargestellt. Zahlreiche Exponate, Filme, Fotografien und viele Dokumente machen persönliche Erfahrungen des Krieges lebendig. Unterstützt wird der Rundgang durch ein gutes Audiosystem.
Der Hauptzweck unseres Polenbesuchs ist die Vorbereitung der Reise mit dem MAP (Mennonitischer Arbeitskreis Polen) im Juli 2017. In Thorn/Torun treffen wir uns mit dem Historiker Michal Targowski. Er organisiert die Mennonitentage in Thorn. Sein Forschungsbereich sind die rechtlichen Bezüge der Mennoniten im Weichseltal. Zahlreiche Pachtverträge der Mennoniten mit der polnischen Krone, mit adligen Großgrundbesitzern, mit Städten und der katholischen Kirche sind erhalten. Viele Details werden darüber bekannt. Aber es sind nur die Fakten von Verträgen. Viele Häuser und einige Kirchen der Mennoniten und die Friedhöfe sind erhalten. Ein großes Interesse besteht an dem alltäglichen Leben der Mennoniten. Wie wurde der Alltag gestaltet, was wurde gekocht und gegessen, welche Lieder wurden gesungen, wie wurde Gottesdienst gestaltet. Herr Targowski erzählt, dass ein grundsätzliches Wissen über die Mennoniten in den allgemeinbildenden Schulen Polens vermittelt wird. Zwar existieren auch Berichte über die Beteiligung vieler Mennoniten an dem NS-System, dennoch wird den Mennoniten viel Vertrauen und Empathie entgegengebracht.
Viele Diplomarbeiten und Abhandlungen über die Mennoniten erscheinen in Polen. Auch der Tourismus hat dieses Thema aufgegriffen. So gibt es Radfahrrouten und Autotouren zu mennonitischen Erinnerungsstätten. Viele Hinweistafeln verweisen auf die Mennoniten.
In der Marienkirche Danzig suchte ich ein Epitaph der Loitz Familie, die im 15.Jh viele Mennoniten im Tiegenhöfer Gebiet ansiedelte. Da die Suche zunächst erfolglos war, sprach ich einen jungen Herrn an, der ausgiebig ein Epitaph von Wilhelm von dem Block betrachtete und mit seiner Begleiterin darüber diskutierte. Meine Vermutung, er sei Kunsthistoriker, war richtig und er konnte mir weiterhelfen. Thema seiner Dissertation war Wilhelm von dem Block und über die Mennoniten wusste er bestens Bescheid.
Zehn Friedhöfe besuchten wir in den wenigen Tagen, nicht alle mennonitische, aber auf allen Friedhöfen waren auch Mennoniten begraben. In dem Dorf Montau ist die Mennonitenkirche noch erhalten. Sie dient heute der katholischen Kirche. Um die Kirche herum sind mehrere Gedenksteine aufgestellt, die an die Geschichte der Mennoniten erinnern. Auf einem Stein ist ein Bildnis von Menno Simons. Der Friedhof in Tiegenhagen gleicht einem jungen Wald. Erkennbar ist noch die Lindenallee, die von Westen zur Kirche führte. Für die Kirchenbesucher der östlich gelegenen Orte wurde vor dem Gottesdienst eine Behelfsbrücke über die Tiege gelegt. Der Kuckuck ruft und viele Vögel singen, ein idyllischer Ort der Ruhe. Die Kirche stand direkt am Tiegedeich, nur einige wenige, zwischen frischem Grün liegende Steinreste geben von ihr Zeugnis. Zwar sind noch einige Grabstellen zu erkennen, aber die Grabsteine wurden wohl alle entfernt. Die Gemeinde Rosenort hatte in Zeyersvorderkampen einen Friedhof mit einer Kapelle. Diesen Platz wollen wir erkunden. Der letzte Teil der Anreise führt über ausgefahrene Feldwege. Auch hier ist schon aus größerer Distanz ein Wäldchen auszumachen und tatsächlich ist hier der Friedhof. Auch hier sind nur einige Grabstellen erkennbar, die Grabsteine sind nicht mehr vorhanden. In Ellerwald ist ein erhaltener Friehof mit vielen gut erhaltenen Grabsteinen. Er liegt direkt am Ufer der alten Nogat, deren früher breites Flussbett noch zu erkennen ist. Der Friedhof macht einen gepflegten Eindruck, es gibt hier kein Unterholz. Aber der Zaun ist renovierungsbedürftig und die Inschriften der Grabsteine sind schwer zu lesen. Vielleicht ist hier einmal ein internationaler Arbeitseinsatz möglich. In Thiensdorf hat die schöne, 1865 im neogotischen Backsteinstil gebaute Mennonitenkirche den zweiten Weltkrieg überstanden, sie wurde aber nicht als Kirche weitergenutzt, sondern diente eine Zeit lang als Lagerhalle. Heute steht sie leer. Der Untergrund ist wohl nicht besonders tragfähig, so haben sich einige deutliche Risse im Mauerwerk gebildet. Hinter der Kirche liegt der alte, schon im frühen 18. Jh. gegründete Friedhof mit der noch deutlich erkennbaren Lindenallee. Auch hier wurden fast alle Grabsteine entfernt. nur auf zwei erhaltenen Steinen sind die Namen Bartel und Pauls zu lesen. Die erste Kirche wurde hier 1728 im Stil der mennonitischen Gotteshäuser in Holzbauweise, die von außen nicht als Kirche erkennbar sein durften, errichtet.
Im ehemaligen Dorf Mielenz im Oberwerder haben sich historisch interressierte Bewohner zu dem Verein "Dawna Wozowni" zusammengeschlossen. Über
E-Mail hat sich ein Kontakt ergeben und an einem Nachmittag ist ein Besuch geplant. Freundlich werden wir empfangen und gut versorgt. Man spürt die Liebe zu ihrem Land, ihrer Heimat. Alles wollen
sie über die früheren Zeiten wissen. Wer hat hier gelebt, wie sah der Alltag aus, wo leben die Menschen heute. Der Besuch erstreckt sich dann bis in die Abendstunden. Der Verein sammelte alte
Gegenstände, die andere entsorgen. Es sind alte Werkzeuge, hauptsächlich zur Holzbearbeitung, verschiedene Hilfsmittel aus Bäckereien,
Pferdegeschirre und Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Die Mitglieder sind junge Menschen, darunter drei Lehrerinnen. Alte Techniken sollen für Kinder erlebbar werden. Es wird Getreide gesät,
mit der Sense gemäht, nach dem Trocknen wird es mit selbsthergestellten Dreschflegeln ausgedroschen. Töpfern ohne Töpferscheibe steht auf dem Programm und das Herstellen von Seilen mit
historischen Geräten. Südlich von Mielenz ist ein kleiner Friedhof erhalten. Das Gebiet gehörte zu Klein Montau. Eine große Tafel weist auf einen Mennonitenfriedhof Klein Montau. Das ist
natürlich nicht richtig, die mennonitischen Bewohner dieser Region gehörten zur Gemeinde in Heubuden und dort ist ein großer Friedhof neben der nun nicht mehr vorhandenen Mennonitenkirche. Aber
die Mennoniten wurden nicht ausschließlich auf ihren Friedhöfen zur letzten Ruhe geleitet, sie wurden auch auf den zur evangelischen oder katholischen Kirche gehörenden Friedhöfe begraben. Zwei
Grabsteine sind gut erhalten und der Name Maria Dyck geborene Fast weist aufgrund des Namens auf mennonitische Zugehörigkeit, was durch eine Recherche im Kirchenbuch der Gemeinde Heubuden
bestätigt wird. Alle Lebensdaten der Maria Dyck sind dort verzeichnet. Diese Grabstelle wird von dem Verein gepflegt, sogar mit Blumen bepflanzt. Wir helfen ihnen die Schrift der Rückseite des
Steins zu lesen und zu verstehen.
Wir lassen dich mit Schmerzen
Dich Gattin, Mutter los.
Doch gönnen wir von Herzen
Dir auch dein lieblich Los.
Der Gott, der dir im Leiden
Dein ein und alles war
Den schaust du nun mit Freuden
Und lobst ihn immerdar.
Zu den häufig fehlenden Grabsteinen wird uns erklärt, dass bis in die 1970er Jahre des Nachts von manchen Friedhöfen alle Steine, von manchen nur die wertvolleren entwendet wurden. Vermutet werden Steinmetze, die nach Abschleifen der Inschriften die Steine weiterverwendeten.
Auch der letzte Tag ist von einer weiteren interessanten Begegnung geprägt. Es ist Sonntag und wir wollen einen Gottesdienst besuchen. Über das Internet finde ich die Baptistengemeinde Marienburg. Kurz vor 10°°Uhr betreten wir die Kirche, die 1906 von Baptisten in Marienburg gebaut wurde und heute wieder Baptisten als Gotteshaus dient. An den Wänden sind Informationstafeln über verschiedene christliche Gemeinschaften angebracht. Eine davon berichtet über die Mennoniten und ihre Geschichte in Marienburg. Der Pastor spricht uns vor dem Gottesdiest an. Wir erklären, dass wir Deutsche sind, worauf er uns den Predigttext mitteilt. "Verstehen werdet ihr nichts, aber den Geist der Versammlung werdet ihr spüren" sagt er. Schon vor dem Gottesdienst begrüßen uns viele Gottesdienstteilnehmer und nach der Versammlung wohl fast alle anderen. Wir werden zu Kaffee und Kuchen in den Keller geladen und es ergeben sich viele weitere Gespräche. Schließlich wird uns die Orgel gezeigt, die schon 20 Jahre nicht genutzt wurde. Nun werde ich gebeten etwas zu spielen. Ein altes Baptistenliederbuch, das viele der auch bei uns bekannten freikirchlichen Lieder enthält, ist auch vorhanden. Schon bald kommen weitere Interessierte auf die Empore und es entwickelt sich ein gemeinsames Singen. " Ein zweiter Gottesdienst" äußert sich der Pastor.
Auch wenn die politische Entwicklungen in Polen immer stärker eine patriotische Haltung einnehmen, ist in der Begegnung mit den vielen Menschen auf unserer Reise davon nichts zu spüren. Alle begegneten uns freundlich, offen und mit viel Interesse.
Johann Peter & Käthe Wiebe
Mennonitischer Arbeitskreis Polen
Bilder unserer Reise im Mai 2017
Ehemalige Mennonitenkirche in Montau Bildnis von Menno Simons auf dem Kirchplatz Montau
Friedhof in Zeyersvorderkampen
Letzte Spuren der Gräber zwischen den Bäumen Nur wenige Fragmente sind geblieben
Mennonitenfriedhof inTiegenhagen Lindenallee am Friedhof Tiegenhagen
Am Ende der Allee stand auf der rechten Seite die Kirche
Der Mennonitenfriedhof in Ellerwald an der 1. Trift
Kirche und Friedhof in Thiensdorf
Ein Blick über die Werderlandschaft