Begegnung und Spurensuche in Polen

Bericht von der neuntägigen Polenreise mit dem MAP 2023

In diesem Jahr folgten 46 Menschen der Einladung des Mennonitischen Arbeitskreises Polen (MAP) und reisten vom 1.7 bis 9.7. 2023 über Posen und Gnesen nach Danzig. Wir besuchten auch Marienburg, Elbing, Thorn und das Danziger Werder. Wir hörten einiges aus der Geschichte Polens, der Mennoniten und unserer Familien. Da wir zahlreiche Reiseteilnehmerinnen und -teilnehmer hatten, deren Familien wegen der Militärdienstpflicht zwischen 1750 und 1820 weiter nach Osten gezogen waren, hörten wir auch viele Geschichten aus der Ukraine und aus Sibirien. Unter den Teilnehmenden waren nur zwei Frauen, die in Westpreußen geboren sind. Schön war, dass zahlreiche Menschen dabei waren, deren Großeltern dort geboren sind oder die jemanden mit westpreußischen Wurzeln geheiratet haben.

 

 

Unser erstes Ziel war die wunderschöne Handelsstadt Posen, die im 12. Jahrhundert Hauptstadt Großpolens war und eine Blütezeit im 16. Jahrhundert erlebte. In Großpolen fand das polnische Staatswesen im Frühmittelalter seinen Anfang, während Kleinpolen erst später zu Polen kam. Heute ist Posen mit etwa 540.000 Einwohnern die fünftgrößte polnische Stadt und eine lebendige und bunte Universitätsstadt. 

Ehemalige Mennonitenkirche Montau
Ehemalige Mennonitenkirche Montau

Am nächsten Morgen fuhren wir nach Gnesen, eine der ältesten Städte Großpolens. Diese Stadt wurde bereits kurz nach der Christianisierung urkundlich erwähnt, war Hauptstadt Polens und ist bis heute Bischofsstadt. Unsere Andacht hatten wir in der ehemaligen Mennonitenkirche in Montau, die heute eine römisch-katholische Kirche ist. Um die Kirche herum stehen Steine zum Gedenken an die Mennoniten. Schließlich erreichten wir unser Hotel auf der Speicherinsel in Danzig, nur wenige Meter vom Krantor entfernt. Nach dem Abendessen erkundeten wir in kleinen Gruppen die Altstadt. Dabei trafen wir einander spontan und konnten von unseren Entdeckungen berichten. 

Am dritten Tag wanderten wir zur ehemaligen Mennonitenkirche in Danzig, die heute von einer Pfingstgemeinde genutzt wird. In der Andacht blickten wir auf die Geschichte und dankten Gott, dass die Mennoniten in Danzig Nischen zum Wohnen und Arbeiten gefunden haben sowie die Pastoren der Gemeinde deutschlandweit wirkten. Anschließend machten wir eine Stadtführung in der Danziger Altstadt. Dabei hörten wir, dass diese Perle der Ostsee mit riesigem Hafen, 1944/45 stark zerstört und später möglichst originalgetreu wiederaufgebaut wurde.

 

Am Nachmittag besuchten wir den hoch- und spätbarocken Dom zu Oliva. Das Hauptschiff und der Chor stammen aus dem 14. Jahrhundert. Die Orgel wurde von 1763-88 von Johann Wulf gebaut, sie besteht aus 7876 Pfeifen und ist für ihren hervorragenden Klang weltberühmt. Wir konnten uns in einem Orgelkonzert davon überzeugen, welche Klangdynamik den Raum erfüllt. Anschließend erkundeten wir das Ostseebad Zoppot mit der längsten Seebrücke Europas, einem Casino, vielen Kureinrichtungen und Parks. Dabei entdeckte ich zahlreiche Gebäude, die mich an andere Ostseebäder erinnerten.

 

 

Da die Gemeinde Heubuden im Süden des Großen Werders die größte mennonitische Landgemeinde des deutschen Ostens war (1929 1450 Mitglieder), besuchten wir ihren Friedhof am vierten Tag. Ab 1565 gab es mennonitische Pächter in Heubuden. Mehr als 200 Jahre lang fanden die Gottesdienste in den Privathäusern statt. Die Gemeinde Heubuden bekam im Jahr 1768 die Erlaubnis, eine Kirche mit 800 Sitzplätzen zu bauen. Besondere Herausforderungen für die Gemeinde waren das Wegfallen der Wehrfreiheit 1868 und die Neuordnung der Gebiete um 1920. Zwischen den Weltkriegen lebten die Gemeindeglieder in Polen, im Freistaat Danzig und im Deutschen Reich. Dies verursachte vielfältige Probleme. 

Die Marienburg mit der 2016 restaurierten Marienfigur
Die Marienburg mit der 2016 restaurierten Marienfigur

Wir fuhren weiter zur Marienburg, die der Hauptsitz des Deutschen Ordens war (1309 – 1457) und der größte Backsteinbau Europas ist. Sie wurde im Mittelalter nie eingenommen. Anfang 1945 hatten sich die Deutschen in der Burg verschanzt. Sie lieferten sich sechs Wochen lang erbitterte Kämpfe mit der Roten Armee. Dabei wurde die Burg sehr stark beschädigt. Inzwischen wurde die Burg wieder aufgebaut und wunderschön restauriert. Bei einer mehrstündigen Führung bekamen wir einen Eindruck vom Leben auf der Burg. Unser Burgführer ist ein langjährig Bekannter, der sich sehr für das Erbe der Mennoniten im Werder einsetzt. 

Mennonitenkirche Thiensdorf
Mennonitenkirche Thiensdorf

Anschließend fuhren wir durch einige Gemeinden des Kleinen Marienburger Werders, in dem schon im 16. Jahrhundert Mennoniten siedelten und das Gebiet entwässerten. Der Gemeinde Thiensdorf wurde schon 1728 erlaubt, eine Kirche zu bauen. Dies war ein Gebäude aus Holz, das äußerlich nicht als Kirche erkennbar sein durfte. Nachdem die Mennoniten mehr und mehr von der Gesellschaft akzeptiert wurden, wurde 1865 anstelle der alten Holzkirche eine aus Ziegeln gemauerte Kirche im Stil der Neogotik gebaut. Die Gemeinden Thiensdorf und Markushof vereinigten sich 1890 und bauten im gleichen Jahr eine Backsteinkirche in Preußisch Rosengart mit einen etwas abseitsstehenden Glockenturm. 1939 hatte die Gemeinde 1124 Mitglieder. 

Kirche Preußisch Rosengart
Kirche Preußisch Rosengart

In dieser Kirche, die heute katholisch ist, hatten wir eine Andacht. Dort trafen wir eine mennonitische Reisegruppe aus den USA, die auch auf den Spuren ihrer Vorfahren unterwegs war. Bevor wir nach Danzig zurückkehrten, besuchten wir, auf besonderen Wunsch einiger Reiseteilnehmer, den Friedhof in Bärwalde. Für sie war ergreifend, Spuren von Vorfahren zu finden. 

 

Am fünften Tag brachen wir früh morgens auf, um die Kaschubei zu erkunden. Unsere polnische Reiseleiterin Iwona Korpyta versorgte uns mit umfangreichen Informationen zur Geschichte und Kultur der Region. Erstes Ziel war die ehemalige Karthäuser-Klosteranlage in der Stadt Karthaus. Der Kartäuserorden gründete 1380 ein Kloster, deren Mönche nach dem Leitsatz „Memento mori“ acht Stunden lang schweigend beten und andächtig sein sollten. Für das leibliche Wohl und die Wirtschaftsbetriebe sorgten zahlreiche Laien. Mit dem Bus fuhren wir weiter zu der Halbinsel Hela, wo wir nach einem Spaziergang auf ein Schiff gingen, um über die Danziger Buch, dann über die Weichsel und Mottlau in den Hafen der Stadt Danzig zu fahren.

Das Vorlaubenhaus der Familie Jansson in Tiege
Das Vorlaubenhaus der Familie Jansson in Tiege

Am sechsten Tag besuchten wir das Große Werder, wanderten auf dem Weichseldeich ca. 5 km von Schöneberg nach Schönhorst und konnten den Blick auf das tiefblaue Wasser der Weichsel genießen. Nach einem Besuch des Friedhofs in Ladekopp fanden wir das Jansson-Vorlaubenhaus in Tiege. Durch eine Lücke im Zaun konnten wir das Haus aus der Nähe betrachten. Wir nutzen das schöne Haus als Hintergrund für unser Gruppenfoto. Anschließend besuchten wir das Denkmal von Johann Donner in Orlofferfelde und fanden auch den Grabstein von Peter Stobbe, dem Gründer der Firma Stobbe Machandel, der von 1751 bis 1823 lebte.

Am Nachmittag trafen wir in der evangelischen Kirche in Neuteich noch einmal die mennonitische Reisegruppe aus USA und hörten gemeinsam eine Andacht. Die Gemeinde lud uns zu Kaffee und Kuchen ein und so ergaben sich viele Gespräche zwischen Polen, Deutschen und Amerikanern. Danach besuchten wir in Mielenz den Verein Dawna Wozownia, dessen Mitglieder uns eine Vorführung im Brotbacken und Seildrehen erleben ließ. Bei netten Gesprächen konnten wir das Brot probieren und einen Imbiss zum Abend genießen. Eine Familie entdeckte eine Verwandte in der amerikanischen Reisegruppe.

Andacht in der früheren Mennonitenkirche Elbing
Andacht in der früheren Mennonitenkirche Elbing

Am siebten Tag war unser erstes Ziel die Stadt Elbing. In der ehemaligen Mennonitenkirche, die heute von einer katholischen Gemeinde genutzt wird, sangen wir Lieder mit Orgelbegleitung. Die Andacht hatte den Psalm 23, der Herr ist mein Hirte, zum Thema. Anschließend fuhren wir ans Frische Haff nach Frauenburg und besichtigten den Dom und die Domburg. Hier war Kopernikus 28 Jahre Domherr. Im quadratischen Turm soll sich sein Observatorium befunden haben. Nächtelang soll er die Himmelskörper beobachtet haben und konnte beweisen, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt, wie es die Kirche behauptete. Im Turm, den wir bestiegen, befindet sich eine Nachbildung des Foucaultschen Pendels mit dem sich die Drehung der Erde nachweisen lässt. Kopernikus‘ Werk erschien 1543, er liegt im Dom begraben.

Mit dem Schiff nach Kahlberg, auf der frischen Nehrung, überquerten wir in zwei Stunden das frische Haff. Von dort fuhren wir mit dem Bus nach Tiegenhof. Bei Marek Opitz im Restaurant „Kleiner Holländer“ genossen wir, nach einer Begrüßung durch den Bürgermeister von Tiegenhof, draußen das Abendessen. Es gab in sehr schönem Porzellan landestypische Suppe, Brot mit Käse und Wurst. Dagmar Stobbe gab noch einen Machandel mit Pflaume aus und erklärte den Brauch, wie man nach dem Genuss das Holz der Pflaume bricht und über das Glas legt. 

Am achten Tag packten wir unsere Koffer in Danzig und fuhren früh nach Thorn weiter. Weil die ehemalige Mennonitenkirche in Obernessau wegen Holzwurmbefall gesperrt war, konnten wir sie nur von außen betrachten. Besonderer Höhepunkt der Reise war der Besuch des Freilichtmuseums Olenderski Park in Obernessau. Wir überreichten Säcke mit Saatgut einer alten von den Mennoniten genutzten Weizensorte. Die Geschichte dazu besagt, dass dieser Weizen schon bei der Einwanderung aus Holland nach Preußen mitgebracht wurde. Auf den Wanderungen der Mennoniten nach Russland und später nach Nordamerika begleitete dieser Weizen die Mennoniten. Er wurde den besonderen klimatischen Bedingungen angepasst. Ein Landwirt aus den Niederlanden baut diesen Weizen aus Nordamerika nun wieder in Witmarsum an. Die Saatgutspende dieses Landwirts an den Olenderski Park in Polen schließt nun den Kreis. 

Unsere Andacht hielten wir in der evangelischen Kirche in Thorn und erfuhren vom dortigen Pfarrer viel über die wenigen evangelischen und altkatholischen Mitglieder als Minderheit (0,2 %) gegenüber der mehrheitlich polnischen katholischen Kirche.

 

Mit einem Stadtspaziergang erkundeten wir Thorn und trafen uns in Gruppen in verschiedenen Cafés, um dort bei herrlichem Sommerwetter das Zusammensein nochmal zu genießen.

 

 

Dankbar mit vielen neuen Eindrücken traten wir am neunten Tag die Rückreise an. Im Bus meldeten sich mehrere Teilnehmer am Mikrofon, um Ihre Reiserfahrungen zu teilen. Diese Reise bot viele Gelegenheiten, die Vielfalt der Mennoniten heute und einander kennenzulernen. Schön zu erleben, dass auch die späteren Nachfahren der in Westpreußen geborenen Mennoniten an der Geschichte interessiert sind. Die Reise war von Johann Peter Wiebe hervorragend organisiert und sowohl inhaltlich als auch musikalisch eindrucksvoll gestaltet. Wir freuen uns alle schon auf die nächste MAP-Reise nach Polen möglicherweise in zwei Jahren.