Geschichte

Mennonitengemeinden in West- und Ostpreußen bis 1945

Quelle: Horst Penner, Die ost-und westpreußischen Mennoniten, Band 1, MGV, 1978,S.502

 

Die Weichselniederung in Polen

Man findet noch heute Spuren der Mennoniten, die einst in der Weichselniederung und in Danzig(Gdansk) lebten und arbeiteten. Kirchen, Bauernhöfe, einige Windmühlen, verwahrloste, jedoch inzwischen restaurierte Friedhöfe sind stille Zeugen einer Vergangenheit, die bis zum Beginn des 16. Jahrhundert zurückreicht.

Die Landschaft erinnert Besucher aus den Niederlanden an ihr eigenes Land. Eine Zeitlang wurde Danzig sogar die "am meisten niederländische Stadt" an der Ostsee genannt. Hier fanden die Mennoniten, die in anderen Ländern wegen ihres Glaubens verfolgt wurden, eine Zuflucht. Sie verwandelten die wilde und unzugängliche Sumpflandschaft in fruchtbares Ackerland und bildeten Dorfgemeinschaften.

Wer waren die Mennoniten?

Menno Simons, ein ehemaliger Priester aus dem friesischen Witmarsum, wurde zum neuen Leiter der Bewegung, die sich von einem radikalen Täufertum zu einer friedlichen Glaubensgemeinschaft entwickelte. Seine Anhänger wurden schon bald Mennoniten, manchmal auch Mennisten genannt.

Sowohl weltliche Landesherren  als auch die Amtskirchen setzten ihre grausame Verfolgung fort,die bereits um 1520 begonnen hatte. Viele Mennoniten suchten daher nach einem sicheren Zufluchtsort, wo sie ihren Glauben in Freiheit bekennen konnten. Einige Jahrhunderte lang lebten diese Mennoniten friedlich in der Weichselniederung zusammen. Ihre Sprache war das Niederländische des 16. Jahrhunderts. Auf Friedhöfen lesen wir die niederländischen Namen: Claassen, Cornelsen, Loewen ( =Leeuwen). Friesen, Dueck (=Dijk), Wiebe, Reimer, Regier oder Pauls.

Ihre Spur, die einstmals in den Niederlanden begonnen hatte, ist heute weitgehend verschwunden.

Tolerantes Polen

Polen wurde zu einem der wichtigsten Zufluchtsorte, insbesondere die Stadt Danzig und die Weichselniederung. Hier siedelten sich ab 1530 flämische und friesische Mennoniten, aber auch Mennoniten aus dem Rheinland, Böhmen und der Schweiz an. Sie begannen das Land einzudeichen und mit Hilfe von Windmühlen trocken zu legen. So verwandelte sich diese Sumpfniederung in einen "Garten Polens". Andere Mennoniten trugen als geschickte Handwerker, Künstler und Kaufleute zum Wohlstand der Stadt Danzig bei. Könige lobten den Beitrag der Mennoniten zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region.

Mennonitisches Gemeindeleben

Während des 16. Jahrhunderts gab es unter den Mennoniten und in Polen verschiedene Gruppierungen, wie z.B. die Flamen und die Friesen. Zunächst hielten sie ihre Gottesdienste in Wohnzimmern oder Scheunen ab. Die erste Mennonitenkirche wurde 1590 in Elbing (heute Elblag) gebaut. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde den Danziger Mennoniten gestattet, je eine Kirche für Friesen und für Flamen in der Vorstadt zu errichten.

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde im Gottesdienst in Danzig auf niederländisch gepredigt. Viele Landgemeinden wechselten schon vorher zur deutschen Sprache. Ihre Umgangssprache war "Plautdietsch". Wechselseitige Besuche von Gemeindegliedern aus den Niederlanden und Polen fanden regelmäßig statt. Zahlreiche Berichte über diese Besuche sind erhalten. Der Übergang zur Preußischen Herrschaft, beginnend mit der ersten Teilung Polens(1772) unter Friedrich dem Großen, hatte eine Einschränkung vieler Privilegien zur Folge. Die Preußischen Könige brauchten eine starke Armee. Nun mussten sich Mennoniten vom Militärdienst durch Zahlung einer Steuer freikaufen. Der Erwerb von zusätzlichem Ackerland wurde ihnen untersagt. Nicht wenige Mennoniten fühlten sich in ihren Privilegien derart eingeschränkt, dass sie es vorzogen, in den Süden Russlands ( heute Ukraine) auszuwandern. Dort gründeten sie wiederum Gemeinden, die sehr wohlhabend wurden. 

Das 19. und 20. Jahrhundert

Angesichts des überwiegend deutschen kulturellen Umfelds und ihrer zunehmenden Integration in die Gesellschaft, war es nur natürlich, dass sich die Mennoniten spätestens mit Beginn des 19. Jahrhunderts als Deutsche Bürger betrachteten.

Als Folge der Wiedererrichtung Polens nach dem 1. Weltkrieg und der Schaffung des Freistaates Danzig wohnten Mennoniten jetzt in Deutschland, Polen und Danzig. Kontakte der Glaubensgeschwister und Familien über Grenzen hinweg waren weiterhin intensiv.

Am Ende des 2. Weltkrieges

Wie die meisten Deutschen flohen auch die Mennoniten 1945 vor der heranrückenden Sowjetischen Armee. Damit endete ihre 400jährige Geschichte im Weichseldelta. Sie und ihre Nachfahren fanden eine neue Heimat in Westdeutschland, in Uruguay, Paraguay, Canada und in USA. Vor dem 2. Weltkrieg hatten schon viele Mennoniten aus politischen Gründen die Sowjetunion verlassen und sich in Nord- und Südamerika angesiedelt. Etliche sind heute schon wieder nach Deutschland zurück gekehrt. Seit dem Fall der Mauer leben in Russland nur noch wenige Mennoniten.