Wieder besucht der MAP im Juli 2017 das Land an der Weichsel. Erste Station ist die 1231 vom Deutschen Orden gegründete Stadt Thorn. In den vielen Kriegen wurde sie nie zerstört und hat so ihr mittelalterliches Stadtbild bewahren können. Thorn ist die Pfefferkuchenstadt. Die Rezepte und die spezielle Form der Thorner Kathrinchenform brachten die nach dem Krieg geflüchteten Mennoniten mit in den Westen, um diese Tradition weiter zu pflegen. Thorn ist die Heimatstadt des berühmten Astronomen Kopernikus. Nicht die Erde ist der Mittelpunkt um den sich alles dreht, die Sonne steht fest und um sie bewegt sich die Erde. Am Rathaus steht sein Denkmal und an vielen Stellen in der Stadt erinnern Gemälde oder graphische Darstellungen seiner Erkenntnis an ihn. Nicht in dem Ausmaß wie in Danzig haben auch in Thorn mennonitische Baumeister Spuren hinterlassen. Das auf einem großzügigen Marktplatz befindliche Rathaus wurde im frühen 17. Jahrhundert von dem mennonitischen Baumeister Antony van Obbergen um ein Stockwerk erhöht und im Stil des Manierismus umgebaut. Auch der Architekt und Bildhauer Wilhelm von dem Blocke war in Thorn tätig. Für den Eskenpalast gestaltete er ein prunkvolles Eingangsportal und in der Marienkirche befindet sich ein aufwendiges aus verschiedenfarbigen Gesteinen gestaltetes Epitaph.
Gleichzeitig mit unserer Gruppe ist ein Bus mit niederländischen Mennoniten in Polen unterwegs. In der noch erhaltenen ehem. Mennonitenkirche in Obernessau halten wir gemeinsam eine niederländisch-deutsche Andacht. Der Historiker von der Uni in Thorn, Michael Targowski, forscht über die Inhalte alter Pachtverträge zwischen Mennoniten und unterschiedlichen Verpächtern, berichtet über die Geschichte der Mennoniten in der Region Thorn.
Die Mennoniten erhalten im heutigen Polen viel Sympathie. Das Interesse an unserer Geschichte ist immens. War es anfänglich das Interesse des MAP in Polen auf die Geschichte der Mennoniten zu verweisen und auf den Schutz und die Pflege von Relikten aus mennonitischer Zeit zu erinnern, haben sich nun viele Polen diese Anliegen zu eigen gemacht. Für die heute dort lebenden Polen ist das Land zu ihrer Heimat geworden und damit sind sie an der Geschichte ihrer Dörfer und der Region interessiert. Dieses nun gemeinsame Interesse führt zu Begegnungen, zum Austausch von Informationen und zu Verständigung und Freundschaft.
Ein Beispiel für diese Entwicklung ist ein im Entstehen befindliches Freilichtmuseum in Obernessau auf der westlichen Weichselseite gegenüber von Thorn. Typische Hofanlagen der niederländischen Mennoniten aus verschiedenen Dörfern im Weichseltal werden restauriert und hier neben einem Friedhof der Mennoniten neu aufgebaut. Drei Höfe stehen bereits, insgesamt ist der Aufbau von fünf Höfen geplant. Die offizielle Eröffnung des Museums ist im Frühjahr 2018 geplant.
In der Schwetzer Niederung befindet sich das Dorf Crystkowo. Hier ist ein altes mennonitisches Vorlaubenhaus liebevoll restauriert und dient nun als Begegnungszentrum. An diesem historischen Platz haben wir ein Treffen mit der Gruppe aus Holland und mit einigen Polen. Wir werden mit allerlei Köstlichkeiten und Spezialitäten versorgt. Nicht weit entfernt liegt das ehemalige Dorf Deutsch Konopat. Eine aus Russland stammende Reiseteilnehmerin ist ganz ergriffen, das Dorf, aus dem im 19. Jahrhundert ihre Vorfahren nach Russland auswanderten, gefunden zu haben. Ihr Großvater berichtete von dem Dorf in einer Familiengeschichte.
Auf dem Weg von Thorn nach Danzig besuchen wir verschiedene Siedlungszentren der Mennoniten. Das Dorf Schönsee in der Kulmer Niederung ist das erste Ziel. Einige Reiseteilnehmer suchen hier nach ihren familiären Wurzeln. Ein gut erhaltener Friedhof lädt zum Studium der bekannten Namen und der Deutung der Symbole der Trauer ein. Nicht weit entfernt finden wir die Fundamente der seit 1618 hier befindlichen Kirche. Nur einige Granitfindlinge geben Zeugnis dieser Geschichte, ansonsten hat die Natur das Gelände zurückgenommen. Auch das Fundament des ehemals hier aufgestellten Nickelsteins ist zu erkennen. Den Nickelstein besuchen wir im Nachbarort Schöneich, dort hat er seinen neuen Platz neben der katholischen Kirche gefunden. Nach einem kurzen Besuch in Graudenz mit den beeindruckenden, riesigen Speicherhäusern am Weichselufer durchfahren wir die Montauer Niederung. Die ehemalige Mennonitenkirche in Montau hält eine weitere Überraschung bereit. Um die Kirche sind Granitsteine, auf denen über die Geschichte des Dorfes und der Mennoniten berichtet wird, aufgestellt. Neben dem Wahlspruch von Menno Simons ist auch eines der bekannten Bilder von ihm in Stein graviert.
Das Kloster Pelplin ist der letzte für diesen Tag vorgesehene Besichtigungspunkt. Nach den schlichten mennonitischen Kirchen ist hier überquellender Prunk zu bestaunen. Zum Abendessen sind wir, von vielen Eindrücken erfüllt, in Danzig.
Am nächsten Tag findet in Tiegenhof das 8. Internationale Mennonitentreffen statt, vorbereitet von dem Club Nowodworski. Neben je einem Vortrag von der deutschen und der niederländischen Gruppe hören wir drei Vorträge von polnischen Historikern. Allen Teilnehmern wurden die Vorträge in der jeweiligen Sprache ausgehändigt. Bei den anschließenden Besuchen der Friedhöfe in Heubuden und Ladekopp bleibt viel Zeit zum Austausch und für Fragen. Der erste Vorsitzende des Club Nowodworski, Marek Opitz besitzt nördlich von Tiegenhof ein restauriertes Vorlaubenhaus. Hier gibt es nun ein gemütliches Beisammensein. Zur Begrüßung wird Stobbes Machandel gereicht, dann gibt es wieder reichlich Köstlichkeiten vom Grill. Angeboten wird auch Werderkäse, hergestellt nach alten Rezepten.
Nun steht ein Vormittag in Danzig zur freien Verfügung. Einige haben sich mit polnischen Freunden verabredet, andere besuchen das neu eröffnete, sehenswerte Museum über den zweiten Weltkrieg und eine Gruppe erkundet die vielfältigen Zeugnisse der 400-jährigen mennonitischen Geschichte der Stadt. Am Nachmittag feiern wir einen ökumenischen Gottesdienst in der ehemaligen Mennonitenkirche in Danzig. Einem Bericht von Jan Broere (Holland) folgt die Predigt von Ruth Wedel. In drei Sprachen singen wir gemeinsam " Großer Gott wir loben dich".
Zum Abschluss in Danzig hatten wir noch ein "festliches Essen" im Traditionsrestaurant "Lachs".
Unser nächstes Ziel ist Nikolaiken in Masuren. Es geht durch die sanfte, hügelige Landschaft im ehemaligen Ostpreußen. Auf dem Weg dorthin besuchen wir die Stadt Wartenburg. In der früheren Klosterkirche St. Andreas besichtigen wir das von Wilhelm von dem Block, vermutlich in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Abraham hergestellte Doppelgrabmal des Andreas Barthory und seines Bruders Balthasar. Andreas Bathory war ein Kardinal und der Neffe des polnischen Königs Stephan Barthory. 1598 wurde das Werk aus schwarzem und weißem Marmor fertiggestellt. Die fein herausgearbeiteten Details im harten Stein finden unsere Bewunderung.
Mit Kultur und Natur sind diese Tage erfüllt. Wir besichtigen die mittelalterliche Stadt Rößel, den Wallfahrtsort Heiligelinde und erleben eine Stakbootfahrt auf der Krutina, einem kleinen Fluss, ganz der Natur überlassen in einer verzauberten Landschaft.
Eine große Bereicherung war Iwona, unsere Reiseleiterin aus Polen. Neben den vielfältigen Informationen über das Land verfügt sie über erstaunliche Kenntnisse mennonitischer Geschichte.
Für die Reise hatte sich eine ausnehmend harmonische Gruppe gefunden. So gingen die 11 Tage zu schnell vorbei. Selbst bei einer mehrstündigen Verzögerung auf Grund einer Panne bei der Rückfahrt blieben alle gelassen, während einige die nähere Umgebung erkundeten, hat ein anderer Kreis ausgiebig gesungen. Beschenkt durch viele Erlebnisse und Begegnungen, Erkenntnise und viele Gespräche erlebten wir eine erfüllte Zeit.
Johann Peter Wiebe
(Fotos dieser Reise in der Galerie 5 ©)