mit internationalem Mennonitentreffen
Warum man sich heute in Polen für Mennoniten Interessiert.
"Bitte, können Sie uns sagen, wo im Kaschubischen Uferlandgebiet Mennoniten gewohnt haben und wo es mennonitische Kirchen und Friedhöfe gab?" Dieses fragt mich der für die Tourismusentwicklung zuständige Vorsitzende der Region Puck. Sie liegt an der Ostsee, nördlich von Gdingen. Er reist deswegen nach Danzig, um dort Mennoniten aus Deutschland, Holland und den USA zu befragen, die sich im Juli 2013 in der ehemaligen Mennonitenkirche treffen.
Ratloses Achselzucken. Eine Mennonitengemeinde in Karwenbruch? Nie gehört. Warum wollen Sie das wissen? " Wir wollen die wirtschaftliche Entwicklung und den internationalen Tourismus in unserer Region fördern und dazu ist es wichtig, die Geschichte der Region zu kennen. Es ist für uns wichtig zu wissen, wie die einst dort lebenden Mennoniten im Sumpfgebiet des Krawenbruchs gewirtschaftet haben. Wir wollen einen mennonitischen Bauernhof errichten und den ehemaligen evangelischen Friedhof, auf dem es viele Gräber der "Olendri" (Holländer) gibt, wieder herrichten."
Fragen nach der mennonitischen Siedlungsgeschichte begegnen uns zunehmend häufiger in Polen. Woran liegt das? Aus dem Interesse an der Geschichte der Mennoniten können wir schlussfolgern, dass die heutige Generation der Polen das Land in dem sie leben auch innerlich angenommen hat, sich mit ihm identifiziert. Somit ist es normal, dass man beginnt, sich für die Geschichte "seiner Heimat" zu interessieren. Das freut uns. Mit ungeahnter Sympathie werden dabei wir Mennoniten betrachtet. Nach in Polen weit verbreiteter Meinung waren sie fromme und arbeitsame Menschen, keine Deutschen, sondern Holländer, die 1945 wieder nach Holland zurückgingen.
Um dieses etwas schiefe Bild zurechtzurücken, bedarf es eines sehr langen Atems. Gelegenheit dazu bot sich anlässlich einer Reise des "Mennonitischen Arbeitskreises Polen" in die Weichselniederung.
Danzig, Elbing, Ladekopp, Tiegenhof, Pr. Rosengart und Heubuden sowie Ausflüge nach Hela und Frauenburg standen dieses Jahr auf dem Programm.
In der ehemaligen Mennonitenkirche in Danzig hörten wir Vorträge zur Geschichte des Werders ( Prof.Peter Klaassen, Fresno,USA) und zur Geschichte der Mennonitengemeinde Danzig (Frank Wiehler). Pastor Popiejelko, der heutige Hausherr, bereitete uns einen herzlichen Empfang. Bei dieser Gelegenheit gedachten wir unseres langjährigen Freundes und Förderer unserer mennonitisch/polnischen Zusammenarbeit, Boreslaw Klein, Tiegenhof. Er verstarb im Dezember 2012.
Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch in der Gemeinde Pr. Rosengard/Rozgart. Es empfingen uns der Dorfpastor, der Regionalpastor, der Bürgermeister, die Landfrauen (in traditionellen Kostümen).
Nach einem ökumenischen Gottesdienst (Pastor Lampkowsky / Ruth Wedel) wurden wir auf traditionelle Art mit Brot und Salz begrüßt. Die Tische bogen sich vor reichhaltigen Speisen und Getränken. Schüler sangen. Es wurde gegrillt und gebacken. Das ganze Dorf war auf den Beinen, um mit uns zu feiern.
Und so ganz nebenbei fand ich bei einem Rundgang auf dem ehemaligen mennonitischen Friedhof unter Laub und Zweigen liegend, den Grabstein meiner Ur-Ur-Großmutter Katharina Wiehler, *1801, in drei Teile zerbrochen. Ein solcher Fund verursacht Gänsehaut.
In Heubuden besuchten wir den präsentabel wieder hergerichteten ehemaligen mennonitischen Friedhof. Hier wurde von unseren niederländischen Glaubensgeschwistern über Jahre ganze Arbeit geleistet. Dafür sind wir dankbar. Es begrüßten uns der Pastor und der Bürgermeister von Marienburg. Herzlich war der Empfang durch die Landfrauen. Auch hier bogen sich die Tische.
Unser Dank gilt Harry Lau, Tiegenhof, der sich um die Vorbereitung der Reise kümmerte und in dessen ländlichem Sommerhaus am Ufer der Weichsel wir nächtigen durften. Aufgabe des "MAP" ist die Pflege der 400jährigen Geschichte der Mennoniten in der Weichselniederung und Förderung des historischen Bewusstseins und Bewahrung des mennonitischen Erbes im heutigen Polen. Dazu konnten wir einen kleinen Beitrag leisten.
Übrigens, dem eingangs genannten Tourismuspromotor aus Puck konnte etwas geholfen werden:
Im sumpfigen Karwenbruch siedelten ab 1603 etliche Niederländer, darunter auch Mennoniten, die später mehrheitlich nach Russland auswanderten. Wie sie gelebt und gewirtschaftet haben, wer weiß das? Eine mennonitische Kirche gab es dort nicht. Auf dem Friedhof wurden Lutheraner und Mennoniten beerdigt.
Frank Wiehler, Freiburg