MAP-Polenreise 2019, Stettin, Danzig mit Werder,Elbing u. Thorn
vom 15.Juni bis 22.Juni 2019
Gute Begegnungen in Polen
Der Mennonitische Arbeitskreis Polen (MAP) lud wie vor zwei Jahren wieder zu einer Reise nach Polen ein. Johann Peter Wiebe hatte alles aufs Genaueste vorbereitet. Viele Teilnehmer meldeten sich schon frühzeitig bei unserem bewährten Reiseunternehmen "Ostreisen" aus Lemgo an. Insgesamt waren wir 46 Teilnehmer, die sich nur zum Teil kannten. Dank der stilvollen Namensschilder aus der Werkstatt von Johann Peter Wiebe ging das gegenseitige Kennenlernen gut vonstatten. Gestartet wurde in Bielefeld und Leopoldshöhe-Bechterdissen. Zusteigemöglichkeiten gab es in Hannover und Berlin. Die 1. Andacht wurde von Helga Köppe im Bus gestaltet. Das erste Mal ging eine MAP-Reise mit einer Übernachtung in Stettin. Die polnische Reiseleiterin, unsere beliebte Iwona, führte uns nach dem Abendessen noch durch die Altstadt zum Schloss der pommerschen Herzöge und zum im spätgotischen Stil gebauten Loitzenhof, dem Sitz der Kaufmannsfamilie und des Bankhauses Loitz. Die Loitz waren die Fugger des Nordens, sie hatten das Gebiet um Tiegenhof vom polnischen König als Lehen erhalten. Dies war der Bezug zu den Mennoniten, die dort siedelten und das Land urbar machten, als Lehen.
Am nächsten Tag Richtung Danzig ging es über Leba. Im Slowinsky Nationalpark gibt es riesige Wanderdünen, vergleichbar mit denen der Nehrungen. Wir kämpften uns über die Düne ans Wasser, um wenigstens mit den Füßen in der Ostsee zu waten.
Wer schon einmal in Danzig war, konnte sich nicht genug über die Bautätigkeit der letzten Jahre wundern. Auch an der Mottlau auf der Speicherinsel stehen neue, an die früheren Speicher im Stil angepassten Häuser aus neuzeitlichen Materialien.
Das Hotel "Wolne Miasto" in Danzig beherbergte uns für die nächsten Nächte. Wir genossen das gute Essen und immer wieder die Gemeinschaft an den Tischen sowie die kurzen Spaziergänge ins Zentrum.
Am Montag besuchten wir die Marienburg, die Burg des deutschen Ritterordens. Viel größer und herrschaftlicher restauriert erschien sie denen, die schon mehrfach hier waren. Der Sohn eines alten bekannten Polen aus Staare Pole/Altfelde, Krzystof Rybak, der schon öfter MAP-Gruppen begleitet hatte, führte uns durch die Burg. Es folgte ein kurzer Besuch auf dem Friedhof in Stogi/Heubuden bevor es nach Palschau ging, wo wir vom dortigen Heimatverein zum Essen im Dorfgemeinschaftshaus geladen waren.
Gegenüber lag der ehemalige Hof der Familie Harder. Dort hatten wir eine kurze Besichtigung. Harry Lau, ein polnischer Freund aus Nowy Dwor/Tiegenhof, hatte sich dazugesellt um zu übersetzen. Er hatte diesen Kontakt mit der Dorfgemeinschaft mit vorbereitet. Gerhard Feye erläuterte uns den Harderhof, wo seine Großtante bis zum 2. Weltkrieg lebte.
In der kleinen ehemaligen evangelischen Holzkirche hörten wir eine Andacht von Ruth Wedel. Ein Teil ihrer Vorfahren stammte auch aus Palschau. Nach
der Andacht konnten wir den restaurierten, schönen Innenraum betrachten. Auch die Rückseite der alten Orgel mit den dort verzeichneten Namen der Patrone von 1909, unter ihnen auch die Namen
mehrerer mennonitischer Bauern. Durch die Ansiedlung der Mennoniten und die neue evangelische Gemeinde verloren die katholischen Gemeinden Einkünfte. Bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts gab es
den Pfarrzwang der katholischen Kirche, was mit festen Abgaben der mennonitischen und evangelischen Patrone an die katholische Kirche verbunden war. So ist das Palschauer Kirchlein im Laufe
seiner Geschichte zu einem Haus gelebter Ökumene geworden. Zum Schluss stiegen wir auf den Deich und konnten die Weichsel aus nächster Nähe mit den Wiesen die bei Hochwasser überflutet werden,
betrachten. Unsere Gedanken schweifen zurück auf Anstrengungen des Deichbaus, der Landgewinnung, die vielen Deichbrüche, die Felder und Dörfer einst überflutet hatten. Immer wieder wurde am
Deichschutz neu gebaut!
Am Dienstag standen vormittags in Marienwerder Burg und Dom auf dem Programm. Nachdem jeder für sich die naturkundliche Ausstellung im Burgmuseum gesehen hatte, besichtigten wir den Dom. Als Besonderheiten gab es hier zwei evangelische Beichtstühle und die Grabplatte von Hans Loitz.
Auf dem Weg nordöstlich der Weichsel suchten wir Rehhof und Tragheimerweide und fanden bei dem Hinweisschild "Agape" nur in einem Wäldchen verborgen einen alten Friedhof mit Grabsteinen mit den Namen Quiring, Nickel, Ewert, Penner u.a.
Ulrich Dibbert hielt dort eine Andacht über unsere Lebenslänge, beeindruckend in dieser Umgebung! Anhand eines Zollstocks demonstriert er, wie endlich unser Leben ist.
Wo sind wir schon auf unserem Weg angekommen?
Der Bus suchte den schmalen Weg zur Weichsel und Nogat, wo die Liebe in Nogat und die Nogat von der Weichsel abzweigt. Biala Gora heißt die Stelle und ist mit einem großen Hinweisschild auf die Restaurierung mit Hilfe von Geldern der Europäischen Union versehen.
An einem Wäldchen wurde der Bus schon von einer Dorfdelegation angehalten. Sylwia Kaszuba, Englischlehrerin aus Mielenz, empfing uns herzlich und führte uns an die Grabstellen von Frau Maria Dyck geb. Fast aus Klein Montau *23.August 1829, +1.Mai 1857, sowie Johann und Sara Andreas, geb. Wall. Eine Gruppe von Gefangenen hatte die Grabsteine wieder aufgerichtet. Es sollen weitere Steine gesucht werden, die im Unterholz noch verborgen liegen. Im Dorf Mielenz selbst trafen wir nun den Heimatverein "Dawna Wozownia", der ein altes Haus aufgebaut hat, in dem wir Dias über seine Tätigkeit sahen und mit verschiedenen Mitgliedern auf Deutsch oder Englisch ins Gespräch kamen. Auch eine Historikerin aus Torun/Thorn war an dem früheren Leben der ehemaligen Bewohner interessiert. Anschließend wurde uns ein Abendessen serviert. Eine neue Dimension der Begegnung scheint sich anzubahnen. Im Jahr 2021 wird der Ort 700 Jahre alt und wird entsprechend feiern.
Der fünfte Tag unserer Reise, Mittwoch, begann in der ehemaligen Mennonitenkirche in Danzig. Wir trafen dort eine 37-köpfige Reisegruppe aus den USA u. Kanada, von unserem befreundeten Partnerverein und hatten zusammen eine Morgenandacht, gehalten von Horst Krüger. Danach fuhren wir nach Oliwa und hörten in der Klosterkirche ein Orgelkonzert. Von Oliwa ging es zum Ostseestrand nach Zoppot. Im Sonnenschein spazierten wir über den Seesteg, fuhren danach zur Festung Weichselmünde und hatten dort vom Turm der Anlage einen weiten Blick nach Danzig, bis Gdingen und die Halbinsel Hela. Am Abend konnten einige noch dem Gesang eines Chores aus Fresno/Kalifornien in der Katharinenkirche in Danzig lauschen. Diesen Tip hatten wir morgens von unseren amerikanischen Freunden erhalten,
Am sechsten Tag besuchten wir auf der Fahrt nach Elbing den Mennonitenfriedhof in Orlofferfelde und die nebeneinanderliegenden, gut erhaltenen Janssonhöfe in Tiege/Orloff. In Elbing wanderten wir durch den hübsch wiederaufgebauten Stadtkern um die gotische Nikolaikirche. In Elbing steht noch die zweitälteste Mennonitenkirche der Welt. Sie diente der Gemeinde Elbing-Ellerwald von 1590 bis 1900 als Gotteshaus. Die Mennoniten waren nur geduldet und die Kirche musste wie ein gewöhnliches Wohnhaus aussehen. Das Bethaus befand sich in den beiden Obergeschossen.
Danach hatten wir zusammen mit der amerikanischen Gruppe eine ökumenische Andacht in der im Jahr 1900 auf der Speicherinsel errichteten Mennonitenkirche, die heute von einer alt-katholischen Gemeinde genutzt wird. Wir waren beeindruckt, mit wie viel zupackendem Engagement der Priester seine Gemeinde aufbaut und seine Kirche renoviert.
Anschließend begegneten wir einander bei Kaffee und Kuchen.
Auf dem Friedhof in Rosenort weihten wir einen restaurierten Gedenkstein für den Ältesten Cornelius Warkentin (1740-1809) ein. Der Besonders für die Mennoniten im Werder und im südlichen Russland getan hat. So reiste er 1794 zu den Auswanderern nach Südrussland, die keine Ältesten mehr hatten und regelte innerhalb von 3 Monaten das Gemeindeleben und die Probleme. Er trug auch zur Überwindung der friesisch-flämischen Trennung im Werder und Danzig bei.
Beim Besuch des Werdermuseums in Nowy Dwor Gdanski/Tiegenhof hieß uns der Oberbürgermeister herzlich willkommen. Im Museum arbeitet mit viel Enthusiasmus ein junger studierter Historiker, Lukasz Kepski. Er ist auch ein guter Kontaktmann vom MAP.
Nach einer kurzen Einführung sahen wir einige Filme die für das European Mennonite Network erstellt wurden. Im Museum werden beispielhaft Dinge aus dem Alltag, mennonitische Produkte und Familiengeschichten gezeigt. Die Texte sind in Polnisch, Deutsch und Niederländisch.
Zum Abendessen fuhren wir zusammen mit der amerikanischen Gruppe nach Cyganek/Tiegenhagen zum wunderschön restaurierten Vorlaubenhaus von Marek Opitz mit Restaurant "Kleiner Holländer". Es gab reichlich Köstlichkeiten vom Grill, Stobbes Machandel und viel Zeit für Gespräche. Zu kaufen gab es auch den preisgekrönten Werderkäse, hergestellt nach alten, wiedergefundenen Rezepten. Nach einem Tag mit vielen schönen Eindrücken fuhren wir zurück nach Danzig.
Am siebten Tag, Freitag, verließen wir Danzig in Richtung Torun/Thorn. An der ehemaligen Mennonitenkirche in Matawy/Montau an der Weichsel konnten wir die großen Granit-Gedenksteine bewundern, die ein Heimatverein zur Erinnerung an die dortige Geschichte aufrichten ließ, auch ein Menno Simons-Bildnis mit Inschrift war in Stein gemeißelt. Innen hielt Torsten Janshon eine Andacht, nachdem wir alles gründlich angesehen hatten. Das ursprünglich von der Familie Bartel gestiftete Fenster ist noch heil erhalten! Wir fahren weiter. In Chelmno/Kulm hatten wir eine Stadtführung. Erwähnenswert ist in Kulm die Kadettenanstalt, für die die Mennoniten besondere Abgaben zahlen mussten, um ihre begrenzte Wehrfreiheit zu erhalten.
Richtig spannend war es dann im Freilichtmuseum Wielka Nieszawka/Obernessau bei Thorn. Drei typische Mennonitenhöfe sind hier restauriert und neu aufgebaut. Aufgeteilt in zwei Gruppen wurden wir durch alle Gebäude in die Lebensweise vor über 200 Jahren eingewiesen. Die Gärten waren mit Blumen und Gemüse bestellt. Auf dem Friedhof konnten wir Gräber mit Namen wie Heise, Schmidt, Bartel, Nickel, Janz und Ewert entdecken. Auf den Gräbern war sogar Blumen gepflanzt.
In der ehemaligen Mennonitenkirche von Obernessau konnten wir noch ein Lied singen. Unser Hotel in Thorn lag direkt an der Weichsel und an der Stadtmauer, so dass auch nach dem Abendessen noch eine kurze Stadtführung möglich war. Bei Musik und Wasserspielen ließ sich der Abend auch noch genießen.
Am achten Tag hieß es nun zurückreisen, an Posen vorbei an die Grenze bis zum Berliner Ring und weiter wie auf der Hinfahrt. Insgesamt waren wir sehr zufrieden über diese harmonische Reise, die uns gezeigt hatte, wie die jungen Polen an unserer mennonitischen Geschichte interessiert sind.
Ulrich und Sigrid Wiebe, Hamburg